Nach Angaben der EU-Kommission sterben jährlich rund 25.000 Europäer an einer Infektion, deren Ursache antibiotikaresistente Keime sind.1 Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt sogar vor einem post-antibiotischen Zeitalter, denn resistente Bakterien werden zu einer immer größeren Bedrohung für uns Menschen. Aufgrund des massenhaften Antibiotika-Einsatzes entwickeln Bakterien zunehmend Resistenzen gegenüber den eingesetzten Antibiotika-Wirkstoffen. So kann es in Zukunft immer häufiger vorkommen, dass bei routinemäßig durchgeführten Operationen, wie bei Kaiserschnitten, Infektionen durch resistente Keime auftreten. Aufgrund des Mangels an wirksamen Antibiotika werden diese Infektionen lebensbedrohlich.2
Wie entstehen antibiotikaresistente Keime?
Antibiotika werden gegen Infektionen von bakteriellen Erregern eingesetzt. Die im Antibiotikum enthaltenen Wirkstoffe sollen diese abtöten und somit unschädlich machen. Jedoch können Bakterien bei zu häufiger oder unsachgemäßer Anwendung von Antibiotika Resistenzen entwickeln:
Bakterien teilen sich ständig und geben so ihr Erbgut weiter. Bei dieser Teilung kann eine zufällige Veränderung ihres Erbguts auftreten. Sind Bakterien ständig einem bestimmten Antibiotikum ausgesetzt, kann sich mutiertes Erbgut mit einer Resistenz gegen den eingesetzten Wirkstoff entwickeln. Als Folge können die Bakterien mit dem 'neuen Erbgut' beim Einsatz des Antibiotikums nicht mehr abgetötet werden. Sie haben demnach ein Überlebensvorteil gegenüber den nicht-mutierten Bakterien und ihre Anzahl wächst rasant.3
Warum ist die Entstehung antibiotikaresistenter Bakterien so gefährlich?
Bakterien besitzen die Fähigkeit ihr Genmaterial untereinander auszutauschen. Dadurch kann die entstandene Antibiotikaresistenz von harmlosen Bakterien auf Krankheitserreger übertragen werden. Infiziert sich nun ein Lebewesen mit diesem resistenten Keim, helfen keine Antibiotika mehr und es stirbt an dieser Infektion.4
Als eine Ursache für die Entstehung antibiotikaresistenter Keime gilt die Massentierhaltung. In deutschen Ställen werden sogar mengenmäßig mehr Antibiotika als in der Humanmedizin eingesetzt.2 Im Jahr 2017 wurden nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 733 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben und ein Großteil davon für Nutztiere verwendet. Zwar sinkt die Menge der verbrauchten Antibiotika im Vergleich zu den Vorjahren, doch der Anteil an eingesetzten Reserveantibiotika in der Nutztierhaltung ist leicht angestiegen.5
Warum wird der Einsatz von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung so kritisch gesehen?
Reserveantibiotika sind ursprünglich für die Behandlung von Menschen reserviert. Der Bauernverband verteidigt den Einsatz von Reserveantibiotika in der Nutztierhaltung damit, dass diese nur in Ausnahmefällen verabreicht werden. Ihr Anteil von der in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika (darunter auch Haustiere) ist mit rund 1% eher gering.6
Allerdings ist die Gabe von Reserveantibiotika an Nutztiere, auch wenn sie noch so gering erscheint, umstritten. Es können sich Antibiotikaresistenzen entwickeln, gegen die es dann bei einer Infektion kein wirksames Mittel mehr gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Forschung zur Entwicklung neuer Wirkstoffe mit den zunehmenden Antibiotika-Resistenzen nicht Schritt halten kann.7
Aus welchen Gründen müssen so viele Antibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt werden?
Schweine, Rinder und Geflügel werden oft nicht unter artgerechten Bedingungen im Stall gehalten: Sie teilen sich mit vielen anderen Tieren den knapp bemessenen Raum, nur wenige kommen in ihrem Leben in Kontakt mit frischer Luft und haben aufgrund der leistungsorientierten Züchtung mit einem schwachen Immunsystem zu kämpfen. All diese Faktoren begünstigen die Entstehung und schnelle Verbreitung von Krankheiten. Bei Infektionen wird meist nicht nur das erkrankte Tier mit Antibiotika behandelt, sondern gleich eine Tiergruppe, auch wenn diese vorrangig aus gesunden Tieren besteht. Diese vorsorgliche Gabe von Antibiotika soll die Verbreitung von Infektionen im Stall verhindern.8
Die prophylaktische Behandlung von Nutztieren mit Antibiotika ist eigentlich seit 2006 in Deutschland und der EU verboten. Aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen von Nutztieren ist es jedoch schlichtweg unmöglich, nur die erkrankten Tiere zu behandeln. Die vorsorgliche Behandlung von Nutztieren mit Antibiotika bleibt somit eine gängige Praxis.7
Antibiotika bekämpfen nicht nur Infektionen, sie fördern auch die Nahrungsverwertung. Die Tiere wachsen bei regelmäßiger Einnahme dieser Präparate schneller und können somit eher geschlachtet werden. Seit 2006 ist die Verwendung von Antibiotika zur Leistungssteigerung bei Nutztieren ebenfalls verboten.9 Doch durch den hohen Einsatz von Antibiotika, kann davon ausgegangen werden, dass der Nebeneffekt der Leistungssteigerung bei den Nutztieren noch immer auftritt.10
Welche Gefahren ergeben sich für den Verbraucher durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung?
Ein Großteil (ca. 60 bis 80%) der Antibiotika-Wirkstoffe werden unverändert von den Tieren wieder ausgeschieden. Durch das Düngen landwirtschaftlicher Flächen mit den Ausscheidungen der Tiere, der Gülle, gelangen Antibiotika-Rückstände in die Böden. Infolge von Regen können die Rückstände bis ins Oberflächen- oder gar Grundwasser gelangen.9 Die im Boden und Wasser natürlich vorkommenden Bakterien können eine Resistenz gegenüber den ausgeschiedenen Antibiotika entwickeln.11 Über diesen Weg können resistente Keime auf Gemüse und Getreide übertragen werden.
Eine weitere Möglichkeit sich mit resistenten Keimen zu infizieren, kann durch die unsachgemäße Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch in den Schlachtbetrieben gegeben sein. Wird das erworbene und infizierte Fleisch nicht ausreichend erhitzt, werden die bakteriellen Erreger mit verzehrt.12
Welche Maßnahmen gegen den zu hohen Antibiotika-Einsatz gibt es?
2018 hat das EU-Parlament ein neues Maßnahmenpaket erlassen, mit dem strengere Regeln bezüglich des Antibiotika-Einsatzes in der Nutztierhaltung umgesetzt werden sollen. So dürfen beispielsweise Reserveantibiotika nur noch in der Humanmedizin Anwendung finden und die prophylaktische Gabe von Antibiotika an Tiergruppen darf nur noch in Ausnahmefällen nach Anraten des Tierarztes durchgeführt werden. Diese Verordnung greift aber erst Ende 2021.2
In Deutschland gelten schon seit 2014 strengere Bestimmungen für den Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung. Diese wurden im März 2018 nochmals verschärft. Demnach müssen z.B. Tierärzte bei der Behandlung von erkrankten Tieren ein Antibiogramm erstellen. Mit diesem kann ermittelt werden, welches Antibiotikum gegen eine Infektion die beste Wirkung zeigt. Mit dieser Maßnahme kann die Menge der eingesetzten Antibiotika reduziert und somit möglichen Resistenzen entgegengewirkt werden.13
Einzelnachweise:
1 https://mobil.bfr.bund.de/cm/350/bfr-verbrauchermonitor-08-2018.pdf
3 https://www.helmholtz-hzi.de/de/wissen/themen/neue-wirkstoffe/antibiotikaresistenz/
4 https://www.dbu.de/708artikel38199_2486.html
6 https://www.bauernverband.de/antibiotika-nutztierhaltung
8 https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/bericht-antibiotika-verwendung-eu
10 https://www.peta.de/antibiotikaeinsatz-in-deutschen-staellen
11 https://www.dbu.de/123artikel38094_2442.html
12 https://www.bund.net/themen/massentierhaltung/antibiotika/