Was beinhaltet das neue Label?
Laut dem Ernährungsreport von 2019 achten viele Deutsche auf eine bewusste und abwechslungsreiche Ernährung. Gerade im Bezug auf Fleisch- und Wurstwaren geht der Trend dahin, dass wir als Konsument wissen möchten, wie das Tier gelebt hat, das vor uns als schmackhaftes Steak auf dem Teller liegt. Verbraucher sind somit immer mehr an dem Wohlergehen von Nutztieren interessiert und fordern deshalb eine transparente und gut verständliche Kennzeichnung von Fleischprodukten.
Ab dem 1. April 2019 haben die großen Supermarktketten (darunter Edeka, Kaufland, Rewe und Aldi) ein neues Siegel zur Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für Rinder, Schweine und Geflügel eingeführt. Allerdings erhalten nicht alle Fleischprodukte dieses Siegel. Nur ausgewählte verpackte Frischfleischwaren der jeweiligen Eigenmarken der Supermärkte bekommen dieses Logo. Dieses sieht zwar bei den verschiedenen Supermärkten unterschiedlich aus, bedeutet aber das gleiche.
Das sogenannte Tierwohllabel 'Haltungsform' beinhaltet Kriterien wie Platzbedarf, Spielmöglichkeiten und Frischluft-Kontakt für die Tiere. Je nach Art der Haltungsbedingungen wird das Fleischprodukt in eine bestimmte Stufe eingeordnet:
Stufe 1: Stallhaltung
Die Bedingungen für diese Stufe spiegeln lediglich den gesetzlichen Mindeststandard wieder.
Stufe 2: Stallhaltung Plus
Die Haltungsbedingungen für diese Stufe liegen nur knapp über denen der Stufe 1. Stufe 2 schließt beispielsweise 10% mehr Platz und weitere Spielmöglichkeiten für die Tiere ein.
Stufe 3: Außenklima
Diese Stufe beinhaltet noch mehr Platz für die Tiere sowie Frischluft-Kontakt. Tiere, die nach dieser Stufe gehalten werden, bekommen allerdings keinen Auslauf an der frischen Luft.
Stufe 4: Premium
In dieser Stufe haben die Tiere tatsächlich Auslauf an der frischen Luft. Zu dieser Kategorie zählen auch Bio-Produkte.
Wer einen detaillierten Einblick in die einzelnen Kriterien der vier Stufen erhalten möchte, kann sich hier genauer informieren.
Pros und Contras des neuen Tierwohllabels 'Haltungsform':
Nahezu alle großen deutschen Supermarktketten verfolgen mit diesem Label das Ziel, dem Verbraucher mehr Transparenz bezüglich der Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verschaffen. Das bedeutet, dass rund 80% des Einzelhandels eine einheitliche Kennzeichnung von Fleischwaren verfolgt. Damit hat der Verbraucher die Möglichkeit, viele Fleischprodukte miteinander zu vergleichen.
Mit diesem Siegel sind die großen Supermarktketten der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner einen Schritt voraus. Diese plant erst für 2020 ein staatliches Tierwohllabel, welches allerdings zunächst nur für die Schweinehaltung umgesetzt werden soll.
Doch es gibt viele Aspekte, die den positiven Nutzen dieses neuen Labels hinterfragen:
Mit diesem Siegel werden lediglich schon bestehende Produkte neu kategorisiert. Es gibt demzufolge keine prüfbaren Verbesserungen in der Tierhaltung.
Außerdem haben die Produkte der Stufe 3 und 4 derzeit eine Marktabdeckung von 1 bis 2%. Das bedeutet, dass der allergrößte Teil der eingepackten Fleischwaren immer noch unter dem gesetzlichen Mindeststandard bzw. knapp darüber produziert wurde. Jeder kennt sie, die Bilder von zusammengepferchten dreckigen und kranken Tieren. Diese Tiere führen ein unwürdiges Leben und sind außerdem tierquälenden Praktiken, wie dem betäubungslosen Kastrieren, Schnabelkürzen oder Schwanz-kupieren ausgeliefert. Folglich kann man bei den Stufen 1 und 2 nicht von einem Tierwohllabel sprechen!
Auch die Bezeichnung Außenklima der Stufe 3 ist für den Verbraucher irreführend. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um möglichen Auslauf der Tiere an der frischen Luft, sondern lediglich um die Bedingung, dass ein Teil des Stalls offen ist.
Ein wichtiger Aspekt, der über das Wohlergehen von Nutztieren entscheidet, wird mit diesem Label komplett ausgespart – nämlich die Gesundheit dieser Tiere. Jedes vierte Fleischprodukt im Kühlregal stammt von einem kranken Tier! Ob Lungentzündungen bei Schweinen, Euterentzündungen bei Rindern oder Knochenbrüche bei Legehennen - verbesserte Haltungsbedingungen nützen nichts, wenn diese Tiere unter Schmerzen oder Krankheiten leiden müssen.
Unsere Forderungen für mehr Tierwohl:
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Um Nutztieren ein würdiges Leben zu ermöglichen, ist die Gewährleistung von Gesundheit und guten Haltungsbedingungen notwendig. Dies könnte beispielsweise durch bundesweite und verbindliche Gesetzesvorgaben im Rahmen eines Tiergesundheitsmonitoring umgesetzt werden.
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Schluss mit den vielen freiwilligen Tierwohllabels! Es muss ein einheitliches und verbindliches Siegel zur Kennzeichnung von allen Fleisch- und Wurstwaren her, welches unabhängig von der Marke oder dem Verkäufer ist. Bei Eiern hat solch eine verbindliche Kennzeichnung schon fast zur Verbannung von Käfighaltung bei Legehennen geführt.
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Die gesetzlichen Mindeststandards für die Nutztierhaltung sollten deutlich angehoben werden. Nur so hätten tierquälende Praktiken und unwürdige Haltungsbedingungen ein Ende.
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Außerdem sollte es keine Werbung mehr für billige Fleischprodukte geben. Diese verleiten den Konsumenten zu einem hohen Fleischkonsum. Stattdessen sollte dem Verbraucher ein bewusster und sparsamer Umgang mit tierischen Produkten vermittelt werden.