Etiketten auf Lebensmitteln – Was steht drauf und was steckt wirklich drin?

Wer legt fest, was auf den Etiketten von Lebensmitteln abgebildet werden darf?

Der Inhalt und die Gestaltung von Etiketten auf Lebensmittelprodukten wird zum Teil durch die Europäische Union geregelt. Jedoch werden grundlegende Bestimmungen auf nationaler Ebene entschieden. In Deutschland ist die Deutsche Lebensmittelbuch Kommission (DLMBK) dafür zuständig, was auf einem Etikett stehen darf. Noch nie gehört? Dann gibt es jetzt eine kleine Zusammenfassung, worum es sich bei dieser Kommission handelt und was ihre Aufgaben sind:

Die DLMBK ist ein unabhängiges Gremium aus 32 Mitgliedern und existiert schon seit über 50 Jahren. Das Gremium setzt sich aus jeweils 8 Vertretern aus Wissenschaft, Lebensmittelwirtschaft, Verbraucherschaft und Lebensmittelüberwachung zusammen. Diese beschließen Leitsätze zur Lebensmittelkennzeichnung und -zusammensetzung zur einheitlichen Deklarierung von Lebensmitteln.1 Diese Leitsätze sind zwar nicht rechtsverbindlich, allerdings halten sich Hersteller, die amtliche Lebensmittelüberwachung und auch Gerichte an diese Bestimmungen, sodass die erarbeiteten Leitsätze eine vergleichbare Wirkung wie Gesetze haben.2

Die DLMBK hat mittlerweile schon für mehr als 2000 Lebensmittelprodukte Leitsätze ausgearbeitet.Alle Leitsätze werden jährlich in einer neuen Auflage im 'Deutschen Lebensmittelbuch' (Behr's Verlag) veröffentlicht.

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Bildquelle: 06/2019 (https://www.behrs.de/titel/leitsaetze-2019/)

Das Ziel der DLMBK ist es, Verbraucher vor Lebensmitteltäuschung zu schützen. Doch macht sie das wirklich?

Ein Leitsatz kann nur veröffentlicht werden, wenn alle Vertretergruppen diesem zustimmen. Jede Vertretergruppe des geheim tagenden Gremiums hat ein Vetorecht, mit dem es gegen einen vorgeschlagenen Leitsatz stimmen kann.4

Gerade bei verbraucherfreundlichen Vorschlägen zur Produktkenneichung und -zusammensetzung setzt die Vertretergruppe der Lebensmittelwirtschaft ihr Vetorecht ein. Durch diese Blockade von verbraucherfreundlichen Leitsätzen kann es teilweise zu irreführenden oder gar falschen Produktkennzeichnungen kommen.

Die Schauseite eines Produkts ist meist mit einem großen Bild und Werbebotschaften versehen. In einigen Fällen ist es mit den Leitsätzen vereinbar, dass Zutaten auf der Schauseite abgebildet werden dürfen, die gar nicht im Produkt enthalten sind. Außerdem kann es vorkommen, dass Werbebotschaften irreführende Aussagen bezüglich der Menge der enthaltenen Zutaten beinhalten. Wer weiß schon, dass Kirschtee keine Kirschen enthalten muss oder Alaska-Seelachs gar kein Lachs ist und zur besseren Vermarktung rosa eingefärbt werden darf? 5

Was wird gegen diese irreführenden Aussagen auf Etiketten unternommen?

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisiert die Intransparenz der DLMBK. Die Kommission tagt in nicht für die Öffentlichkeit zugängigen Sitzungen. Zusätzlich müssen die Vertreter eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Somit ist nicht nachvollziehbar, welche Leitsätze vom Gremium diskutiert werden und welche Vertretergruppe gegen welchen Leitsatz ihr Vetorecht einsetzt.6

Aus diesen Gründen verklagte Foodwatch 2007 sogar die Bundesrepublik Deutschland, damit die geheimen Sitzungsprotokolle des DLMBK der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Allerdings wurde diese Klage zurückgewiesen und auch der eingereichten Revision wurde nicht statt gegeben.

Auch auf Seiten der Bundesregierung gibt es 'leise' Kritik an der Verfahrensweise des DLMBK. 2013 hat das Bundesernährungsministerium eine externe Prüfung dieses Gremiums ausgeschrieben. Allerdings ist am Ende nicht viel passiert: Die Strukturen des DLMBK bleiben bestehen. Das Gremium tagt weiterhin im Geheimen und das Vetorecht der Lebensmittelwirtschaft verhindert vermutlich weitere verbraucherfreundliche Vorschläge zur Produktkennzeichnung. Somit ist es immer noch möglich, dass teilweise irreführende Werbebotschaften und 'falsche' Produktbilder auf Etiketten abgebildet werden dürfen.7 

Doch einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es: Die Bundesregierung hat die Internetseite https://www.lebensmittelklarheit.de ins Leben gerufen. Hier werden Beispiele für irreführende Produktkenneichungen für den Verbraucher teilweise offen gelegt.

 

Einzelnachweise:

1  https://www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de

https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2014/staatsrechtler-geheimes-gremium-ist-verfassungswidrig/

3  https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kennzeichnung/Lebensmittelbuch/dlmbk_node.html

4  https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2016/neue-geschaeftsordnung-fuer-die-lebensmittelbuchkommission/

5  https://www.foodwatch.org/de/informieren/produktbezeichnungen/mehr-zum-thema/staatlich-legitimierte-verbrauchertaeuschung/

6  https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2016/weiter-staatlich-legitimierte-verbrauchertaeuschung/

7  https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2016/neue-geschaeftsordnung-fuer-die-lebensmittelbuchkommission/

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